Religiosität und Glaube

Sind Religiosität und Glaube notwendig miteinander verbunden?
Es entspricht dem Selbstverständnis vieler religiöser Menschen bzw. der Religionen, dass die reelle Existenz beispielsweise eines Gottes in Form eines einzelnen Geistwesens und vielfach auch einschließlich einiger ihm zugeschriebener Worte und Taten die zwingende Voraussetzung für die Sinnhaftigkeit dieser Religion sei. Diese Verknüpfung macht dann oft im Rahmen von verschiedenen Heilsversprechen oder Drohungen im Falle eines "Unglaubens" in sich Sinn, hängen entsprechende Aussagen über ein prognostiziertes Wirken eines derartigen Gottes auch an dessen reeller Existenz.
Aber sind Heilsversprechen und Verderbensdrohungen hilfreiche Inhalte für eine authentische und aufrichtige Beziehung eines Menschen zur Wirklichkeit, zu seiner Umgebung, zu sich selbst und zu einem eventuell existierenden göttlichen Geistwesen? Ist nicht auch eine Beziehung zu unserem Universum oder zu einem göttlichen Geistwesen möglich, die nicht aus einem Belohnungs-Bestrafungs-Schema heraus motiviert ist? Ist es nicht bereits aus den erwähnten Gründen heraus ein Grundbedürfnis vieler Menschen, sich auf eine religiöse Art mit ihrer Welt, dem Universum und dem Geist, den es ausstrahlt, zu verbinden?

Es gibt eine Reihe von in der Psychologie angewandten Methoden, die Ähnlichkeit zu religiösen Umgangsformen und Bräuchen haben. Verschiedene Formen der Meditation, manche körperorientierte Übungen so wie der bewusste Einsatz von Riten haben bislang ihren festen Platz in der psychologischen Praxis gefunden, auch außerhalb esoterischer Ausrichtungen. Sie dienen unter Anderem der bewussten Ausrichtung von Menschen auf eine erwünschte innere Haltung, der Befreiung von Zwängen und der Erweiterung von Perspektiven.
Ein Aspekt vieler Religionen ist der in ihnen gelebte Respekt vor der Erde, dem Leben, der "Schöpfung", dem Universum in Form der Anbetung eines "Schöpfergottes". Es gibt auch viele nicht gläubige Menschen, die diesen Respekt beispielsweise als Respekt vor der Natur auch verinnerlicht haben.
Es gibt auf der anderen Seite verschiedene Spielweisen des Atheismus, die den Respekt gegenüber einer Göttlichkeit bzw. gegenüber einem "Schöpfer-Gott" abwehren, um den Menschen an eine vergleichbar idealisierte "göttliche" Position eines kreativen und großartigen "Schöpfers" zu erheben. Beispiesweise reden Wirtschaftsvertreter oft von "Nahrungsmittelproduktion" in einer Art, die impliziert, der Mensch wäre in der Lage, Nahrungsmittel zu produzieren und nicht die Natur, die diese hervorbringt. Auch der respektlose, erniedrigende und zerstörerische Umgang mit der Natur, mit anderen Menschen und Geschöpfen spiegelt dieses überhebliche Selbstbild wieder, welches den Menschen als "Herrscher" über die Natur betrachten will und nicht als Teil der Natur oder "Schöpfung". Der geringe Respekt vor der Erde, der Natur und dem Universum reduziert auch das Selbstverständnis des Angewiesenseins auf die Natur. Das heißt, dass Religion vielfach ein "gesundes" Verhältnis des Menschen zur Natur und zum Universum herstellt, welche sich beispielsweise in der Verehrung eines Schöpfergottes, in der Bitte um den Erhalt der Lebensgrundlage und im ritualisierten Dank für die tägliche Nahrung zeigt.
(Religiöse Praktiken wie beispielsweise Riten, Anbetung und in vielen Fällen selbst Meditation sind aus meiner heutigen Sicht nicht nur sinnlos sondern sie führen im Zweifel zur Verbindung zu allen möglichen Geistern und nicht zu dem, der Pflanzen, Tiere und Menschen liebevoll geschaffen hat. Jens Jegoo sagt, unser liebender Schöpfer würde die Anbetung nicht wünschen, es sei genug, wenn wir einfach wünschen würden.)

Es gibt also durchaus eine Reihe von Motiven, Religion zu leben und zu praktizieren, die unabhängig von Heilsversprechen und Gläubigkeit existieren. Diese Gründe könnten auch erklären, warum viele Menschen trotz eines gewissen Abstands zum Glauben immer wieder religiöse Inhalte zitieren und darüber nachdenken.
Es ist demnach grundsätzlich denkbar und möglicherweise hilfreich, in einem religiösen Selbstverständnis zu leben und Religiosität zu praktizieren,
ohne Dinge glauben zu müssen, die lediglich vom vertrauten Umfeld überliefert werden, die jedoch einem religiösen Menschen nicht notwendigerweise einleuchten oder wirklich glaubhaft oder wahrscheinlich erscheinen müssen.

Der Begriff "Seele des Universums" will einer solchen Art Religiosität entgegen kommen, die einen grundlegenden Respekt vor dem Universum pflegt, vor dem was beispielsweise Christen als "Schöpfung" bezeichnen und die ein eine Form des Umgangs mit menschlicher, psychologischer oder seelischer Erfahrung darstellen kann, wie ihn die Naturwissenschaft bislang nicht bieten konnte.
Wenn auf dieser Seite von der "Seele des Universums" die Rede ist, so soll damit im Zweifel explizit der Gott gemeint sein, der die Erde, die Lebewesen, das Universum und alle anderen Aspekte unserer Wirklichkeit geschaffen hat bzw. der diese verkörpert. Mit diesem Begriff sollen explizit alle Geister nicht gemeint sein, die ihrerseits Teil der Schöpfung sind, aber nicht Schöpfer waren.

Seele

Die Seele eines Menschen spielt in vielen Religionen eine wesentliche Rolle. In vielen Fällen wird erklärt, was einer Seele nach dem Tod widerfahren könnte und wie sich das Leben auf der Erde auf das Leben der Seele nach dem Tod auswirken würde.
Wenn auf minimalreligion.de von der "Seele" eines Menschen die Rede ist, so ist diese hier schlicht als Kern der Persönlichkeit definiert. Hierbei wird bewusst offen gelassen, inwieweit dieser Kern außerhalb des Körpers existieren könnte, das körperliche Leben überleben könnte (oder eben nicht) oder ob diese gar später in anderen Körpern wieder reinkarniert werden könnte.
Der Kern der Persönlichkeit, seine Seele also, stellt im Verständnis dieser Texte dar, was ein Mensch im tiefsten ersehnt, was ihn jenseits der sozialen Einordnung, seiner physischen Möglichkeiten seiner konkreten Situation ausmacht. Eine weitere Definition wird vermieden. Ein Bild von dem Zusammenspiel der Seele mit der Psyche wird auf fatamorg.htm gezeichnet.

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Veröffentlichung am: 24.06.2014
Letzte Änderung: 24.06.2014
Anmerkungen (grün): 31.01.2019
Uli Sommer